Das Guillain-Barré-Syndrom ist eine neurologische Erkrankung, die auf einer sog. Entmarkung (Demyelinisierung) von Nervenfasern beruht.
Ursache:
Die Ursache des Guillain-Barré-Syndrom ist nicht endgültig geklärt. Es scheint eine Autoimmunreaktion stattzufinden, das heißt, das eigene Immunsystem greift körpereigenes Gewebe an. Beim Guillain-Barré-Syndrom (GBS) wird bei der mikroskopischen Betrachtung von Gewebeproben eine Entzündung und Infiltration mit bestimmten Immunzellen (u.a. Makrophagen) in den Markscheiden der Nerven gefunden. Daraus folgt ein Markscheidenzerfall ab der vorderen und hinteren Wurzel vom Rückenmark (Polyradikulitis) und der dazugehörigen peripheren Nerven (Polyneuritis), die für die Muskeln und die Sensibilität zuständig sind. Eine weitere Erklärungsmöglichkeit für das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) ist eine neuroallergische Reaktion auf vorangegangene virale (z.B. Epstein-Barr-Virus, Varicella-Zoster-Virus) oder bakterielle (z.B. Campylobacter jejuni, Mykoplasmen, Leptospiren, Rickettsien) Infektionen.
Diagnose:
Insbesondere spielen hierbei vorangegangene, unspezifische Infekte der Atemwege oder des Magen-Darm-Traktes eine Rolle.
Untersuchung vom Nervensystem : Auffällig sind Ausfälle von Muskeln (Lähmungen, Paresen), Nichtvorhandensein von Reflexen (Areflexie) und Sensibilitätsstörungen. Entnahme und Untersuchung von Nervenwasser (Liquorpunktion zur Liquordiagnostik): Klares Nervenwasser, normale bis leicht erhöhte Zellzahl, Zucker normal, Eiweiß erhöht auf >100mg/dl mit Zeichen einer Schrankenstörung (typisch ist eine so genannte zytoalbuminäre Dissoziation). Die Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) ist verlangsamt, teilweise bis hin zum Leitungsblock. Das Elektromyogramm (EMG), mit dem die Aktivität des Muskels aufgezeichnet werden kann, zeigt eine mangelhafte oder fehlende Versorgung der Muskeln mit Nervensignalen (Denervierungszeichen). Mit Hilfe einer Gewebeentnahme aus einem Nerven (Nervenbiopsie) kann eine Entmarkung der Nerven (Demyelinisierung) unter dem Mikroskop (histlogisch / pathologisch) nachgewiesen werden. Ein Erregernachweis (Campylobacter jejuni, Epstein-Barr-Virus, Varicella-Zoster-Virus, Mykoplasmen, Leptospiren, Rickettsien) im Blut gelingt in einigen Fällen.
Behandlung:
Die Behandlung erfolgt symptomatisch unter intensivmedizinischer Überwachung. Das heißt, vor allem die Funktion von Herz und Lungen wird kontinuierlich überwacht. Gegebenenfalls werden ein Herzschrittmacher und eine Beatmung notwendig. Die Ernährung muss unter Umständen über Nährstoff- und Flüssigkeitsgaben über eine Vene (Infusionen) sichergestellt werden. Des Weiteren sind Physiotherapie, eine psychische Betreuung und prophylaktische Maßnahmen zur Verhütung von Druckgeschwüren, Blutgerinnselbildung (Thrombose), Gelenkeinsteifungen (Kontrakturen) und Lungenentzündung (Pneumonie) wichtige Therapiebestandteile. Die medikamentöse Therapie besteht aus der hochdosierten Gabe von Antikörpern (7-S-Immunglobulin G 0,4g/kgKG/Tag) über eine Vene für 5 Tage. Cortisonpräparate kommen nur bei der chronischen Form des Guillain-Barré-Syndroms zum Einsatz. Bei Fortschreiten der Erkrankung und hochgradiger Einschränkung der Gehfähigkeit (Gehstrecke geringer als 5 m ohne Hilfe) wird 5 – mal alle 2 Tage eine Plasmapherese durchgeführt. Bei der Plasmapherese wird die Blutflüssigkeit (Plasma) von den Blutzellen getrennt. Dann kann das Plasma gereinigt und wieder zusammen mit den Zellen dem Patienten zurückgegeben werden. Alternativ können die Zellen zusammen mit fremdem Plasma, Plasmaersatz etc. zurückgegeben werden. Die Plasmapherese führt zu einer schnelleren Rückbildung der Symptome und zu einer kürzeren Beatmungszeit. Die Erholung dauert Wochen bis Monate.
Die neurologischen Ausfälle bilden sich in umgekehrter Reihenfolge zurück. Die Letalität (Tötlichkeit) ist abhängig von der Pflege und liegt heute unter 5%. Prognostisch ungünstig ist eine über einen Monat dauernde Beatmungspflichtigkeit. In ca. 70% der Fälle heilt das Guillain-Barré-Syndrom zwar mit motorischen Schwächen und Reflexdefiziten, aber ohne Behinderung des täglichen Lebens aus. 5 – 15% behalten beeinträchtigende Behinderungen zurück. Bei ungefähr 4 % kommt es nach Monaten oder Jahren zum erneuten Ausbruch der Krankheit (Rezidiv).